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Pressemitteilung

Haushaltsrede 2023 ÖDP Fraktion Stadtrat Mainburg:

ÖDP für Kurskorrektur in der Stadtpolitik

Die ÖDP Stadträte Konrad Pöppel und Annette Setzensack. Foto: Bernd Wimmer

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

von der einen Krise in die nächste – nachdem die Pandemie bezwungen scheint, hat uns vor fast genau einem Jahr Russlands Angriff auf die Ukraine erschüttert. Die Auswirkungen sind in jeder Hinsicht spürbar. Viele Menschen mussten seitdem die Ukraine verlassen, manche von Ihnen fanden – neben Geflüchteten aus anderen Ländern - in Mainburg Aufnahme und Unterkunft. Dies stellte und stellt die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer vor teils große Herausforderungen. Es bildete sich für die Ukraine-Flüchtlinge ein weiterer Asyl-Helferkreis in der Hopfenstadt. Auch die Stadt leistete einen Beitrag durch die Zurverfügungstellung von städtischen Gebäuden für die Unterbringung. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die sich für die Geflüchteten in irgendeiner Weise eingesetzt und engagiert haben, ganz besonders, wenn dies ehrenamtlich geschieht. Auch weiterhin werden die Unterbringung, Betreuung und Integration von Geflüchteten und anderen Neubürgern eine wichtige Aufgabe in unserem direkten Umfeld bleiben. Für eine Stadt wie Mainburg, wohl die „bunteste“ Stadt im Landkreis, wäre es nach wie vor durchaus angemessen, für die Koordination der vielfältigen Fragen und unbewältigten Aufgaben rund um Migration und Integration vor Ort eine Stelle in der Stadtverwaltung vorzusehen, welche es übrigens in Kelheim, Riedenburg, Abensberg und anderen Gemeinden im Landkreis in unterschiedlicher Ausgestaltung bereits seit längerem gibt. Dies wäre auch eine dringend notwendige Stärkung und Entlastung für die teilweise schon seit Jahrzehnten in der Flüchtlingshilfe und Integrationsarbeit wirkenden Ehrenamtlichen vor Ort. Ein großer Schock war für uns alle, vor allem aber für die Mainburger mit türkischer bzw. syrischer Abstammung das zerstörerische Erdbeben vor kurzem in der Südtürkei und dem Nordwesten Syriens. Auch hier sind wir zu Solidarität und Unterstützung im möglichen Rahmen aufgerufen.
Weit mehr als durch die Aufnahme von Geflüchteten ist die Stadt Mainburg in finanzieller Hinsicht aber von den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine tangiert. Neben gestiegenen Beschaffungs- und wohl künftig auch Finanzierungs- und Personalkosten rächt sich die über Jahrzehnte aufgebaute Abhängigkeit zu den fossilen Energieträgern. Wir haben seit langen Jahren für das Vorantreiben der Erneuerbaren Energien plädiert, auch und gerade im kommunalen Sektor. Nun sehen wir uns auf traurige Weise bestätigt. Die Erneuerbaren Energien schaffen neben ihrer Bedeutung für den Klimaschutz Unabhängigkeit, ermöglichen oft bereits kurzfristig eine Reduktion der Wärme- und Stromkosten und eine hohe regionale Wertschöpfung.
Zwar wurde unter dem Druck der Energiepreissteigerungen im letzten Jahr eine Gas- und Stromverbrauchs-Einsparung von 15 % für alle städtischen Einrichtungen auf unseren Vorschlag hin stattgegeben, der Ausbau der Photovoltaik auf städtischen Dächern wurde auf unseren Antrag hin untersucht und befürwortet. Schade ist hier die ständige Diskussion über die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. „Kein Minus“ ist schon ein beträchtlicher Gewinn für die Umwelt. Eine Nicht-Investition in rentable Anlagen muss als kommunale Geldverschwendung angesehen werden. Positiv ist, dass sich nach nun über zwei Jahren endlich eine Besetzung der Klimaschutzmanagement-Stelle abzeichnet. Wir möchten auch unsere Freude über Initiativen des Bauhofs zu eigenen „Eh-Da-Flächen“ oder die städtische Unterstützung des Projekts „30 Jahre Biotopverbund Mainburg“ das bisher mit netto 50 TEURO einen wichtigen Beitrag im Naturschutz leistet, zum Ausdruck bringen.
Dies sind lauter zarte Pflänzchen, die wachsen können, doch sie genügen noch lange nicht. Der Klimawandel und das Artensterben geben mittlerweile eine andere Taktfrequenz vor. Klima-, Natur- und Umweltschutz sind kommunale Aufgaben mit Verfassungsrang und dürfen nicht nur punktuell, nebenbei und halbherzig angegangen werden. Dies muss sich zum Beispiel dadurch zeigen, dass dem Klimaschutzmanagement eine gewisse Eigenverantwortlichkeit zugestanden wird, was sich durch die Bereitstellung eines angemessenen Budgets ausdrückt. Ein solcher Posten fehlt im Haushaltsplan aber gänzlich. Auch aufgrund unserer Erfahrungen in der Gremienpraxis können wir uns insgesamt des Eindrucks nicht erwehren, dass ökologische Anforderungen in Teilen der Verwaltung als Schmuckwerk angesehen werden, und dass die Priorität von Umwelt- und Naturbelangen weit hinter Flächenverbrauch und Wachstum rangiert - als eine eher lästige Anforderung, welche oft noch zusätzliche Kosten verursacht. Dies drückt auch der vorgestellte Haushalts- und Finanzplan aus. Investitionen in Klimaschutzprojekte, wie zum Beispiel die energetische Sanierung von städtischen Liegenschaften, oder Planungskosten für eine wichtige Aktualisierung der Windkraftpotenzialanalyse für den Bau von Bürgerwindrädern im Gemeindebereich fehlen. Nur um die Kosten einmal plakativ gegenüber zu stellen: Anstatt einer Stadthalle mit ca. 15 Mio. Euro Kosten könnten 3 moderne Windräder gebaut werden, von denen eines alleine rechnerisch alle Privathaushalte der Stadt mit Strom versorgen kann. Die Frage ist doch, wo investieren wir künftig, worauf verwenden wir unsere Energie? Ergänzende Investitionsvorschläge im Kontext Klimaschutz hinsichtlich der Priorisierung, welche wir im Vorfeld der kürzlich stattgefundenen Stadtratsklausur eingereicht hatten, durften wir nicht einmal vorbringen, geschweige denn mit den Stadtratsmitgliedern diskutieren. Wir hoffen, dass nach langer Diskussion mit der Verwaltung unser Antrag für eine Stelle als Garten- und Grünordnungsamt im Sommer mit positivem Ausgang im Stadtrat behandelt und in den Stellenplan aufgenommen wird. Dies bringt eine Entlastung des Bauamts und finanziert sich über Effekte aus Fördergeldern und Optimierungen bei der Grünanlagenpflege zu einem bedeutenden Teil selbst.
Die heilige Kuh, die nicht angetastet werden darf, ist hingegen die stetige Ausweisung von Wohnbau- und Gewerbeflächen. Die Bauverwaltung erstickt geradezu in einer Flut von Bauleitverfahren, und die Strategie ist offenbar auch für die nächsten Jahre, das Wachstum in die Peripherie mit der Vernichtung landwirtschaftlich genutzter Fläche weiter auszubauen. Dabei senden uns doch die jüngeren Ereignisse, ob durch Krieg oder Klimawandel ausgelöst, klare Warnzeichen, dass eine Politik des stetigen Flächen-, Ressourcen- und Energieverbrauchs nicht zukunftsfähig ist, dass wir diesbezüglich komplett umdenken müssen. Um es in der Sprache des Bauwesens auszudrücken: Jetzt geht es darum, Bestand zu erhalten, qualitativ hochwertig zu sanieren und weiterzuentwickeln. Wir dürfen diese offensichtliche Notwendigkeit nicht mehr vom realen politischen Handeln trennen, gerade wenn wir langfristig erfolgreich wirtschaften wollen und ökonomisch denken. Der Versuch, die Notwendigkeit des Schutzes von Klima, Natur und Umwelt zwar in einer gewissen Abstraktheit anzuerkennen, aber in der täglichen Praxis als kostspielige Einzelmeinungen einer politischen Minderheit abzutun, ist schnell entlarvt und nicht nur ein Vergehen an allen künftigen Generationen, sondern in Wahrheit auch wirtschaftsfeindlich.
Wir müssen die Frage voranstellen, ob und wie neu gebaut werden soll, denn der Bausektor ist für etwa die Hälfte unseres gesamten Ressourcenverbrauchs verantwortlich. 40% der THG-Emissionen in Deutschland gehen nur auf die Errichtung, Modernisierung und den Betrieb von Gebäuden zurück. Die Nachteile des hohen Flächenverbrauchs für Grundwasserbildung, Hochwassergefährdung, Verlust landwirtschaftlicher Fläche und von Freizeitflächen, sowie dem Artensterben sollten bekannt sein. Die Schaffung von modernem, bezahlbarem Wohn- und Gewerberaum wird von uns gewünscht. Viel Wohn- und Gewerberaum steht leer oder wird kaum genutzt. Es gibt viele Konversionsflächen oder unbebaute Grundstücke mit Baurecht. Diese Potenziale gilt es zu heben. Wir vermissen konkret Konzepte zu einer verbesserten Bestandsnutzung, wie etwa ein Gebäude-Tauschprogramm mit einem Angebot von zentrumsnahen Wohnungen für Senioren, oder vertragliche Vorgaben für Investoren im Bestand bei Sanierung oder Neubau, um in nachhaltiger Bauweise dringend notwendigen, bezahlbaren, modular nutzbaren Miet- und Eigentumswohnraum zu schaffen.
Wie sich die Folgen des Kriegs mittelfristig auf die Mainburger Betriebe auswirken werden, welche mit ihrer Wirtschaftskraft über das Gewerbesteueraufkommen einen bedeutenden Teil des Stadthaushalts finanzieren, kann noch nicht prognostiziert werden – auch wenn wichtige Unternehmen im Klimabereich agieren und deshalb auch in den Coronajahren zur positiven Gewerbesteuerentwicklung massiv beigetragen haben. Die noch sehr gute Finanzlage der Stadt Mainburg sollte vor dem Hintergrund vieler, bereits angedachter Projekte, der notwendigen Pflichtaufgaben, der weiterhin hohen Inflation und der deutlich zunehmenden Kreisumlage gesehen werden. Aus unserer Sicht muss jedes Projekt auf den Prüfstand der Nachhaltigkeit - auch finanziell. Ein Neubau der Stadthalle etwa ist keine Pflichtaufgabe. Unsere bestehende Stadthalle soll unserer Ansicht nach energetisch und technisch saniert und wieder für alle Nutzer, auch für private Veranstaltungen freigegeben werden.
Das Ansinnen, in einer neuen Stadthalle im Sinne der Mehrfachnutzung auch die Stadtbibliothek unterzubringen, bringt mich zu meinem letzten Punkt: Gerade die nicht-bauliche Aufwertung und Stärkung der Innenstadt mit proaktiven Maßnahmen, um Leerstände zu vermindern, die Attraktivität und die Besucherfrequenz dauerhaft zu steigern, wird leider nicht angegangen. Zumindest ist dies für uns nicht erkennbar. Eine Verlagerung der Stadtbibliothek würde das Ziel, die Innenstadt und benachbarte Bereiche zu beleben, konterkarieren. Wir plädieren dafür, die bereits vorhandene Planung, die sogar schon denkmalrechtlich abgestimmt war, aufzugreifen und die Erweiterung der Bücherei in Verbindung mit dem Heimatmuseum an Ort und Stelle zu ermöglichen.
Ich möchte im Namen der ÖDP-Fraktion für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr danken, explizit auch allen städtischen Mitarbeitern, die zum vorgelegten Haushaltsplan für 2023 beigetragen haben.
Aufgrund der genannten Aspekte zur grundsätzlichen Ausrichtung der Stadtpolitik können wir der vorgelegten Haushalts- und Finanzplanung für 2023 leider nicht zustimmen, würden das aber gerne im nächsten Jahr tun, sofern der Fokus stärker die Belange der „Enkelgeneration“ berücksichtigt.

Mainburg, den 28. Februar 2023
Für die ÖDP-Fraktion
Annette Setzensack, Fraktionssprecherin

*(darunter: Herstellung, Errichtung, Modernisierung im Hochbau = 8% der gesamten THG-Emissionen)

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